Epigenetik bei Wildmeerschweinchen

(03.02.2016) Väter sind in der Lage, ihre internen Stoffwechselabläufe an gestiegene Temperaturen anzupassen und diese Erfahrung unmittelbar an ihre Nachkommen weitergeben.

Das wurde jetzt erstmalig bei einem Wildtier nachgewiesen. Diese Ergebnisse sind im Rahmen eines Projektes des Paktes für Forschung und Innovation entstanden und wurden in der Fachzeitschrift „Molecular Ecology“ veröffentlicht.

Männliche Wildmeerschweinchen reagieren auf gestiegene Temperaturen mit biochemischen Modifizierungen an ihrem Erbgut, ohne dabei die Sequenz der Erbinformation zu ändern, und geben Teile dieser „epigenetischen“ Information direkt an die nächste und höchstwahrscheinlich sogar an die übernächste Generation weiter.


Wildmeerschweinchen

Um die physiologische Antwort männlicher Wildtiere an veränderte Umweltbedingungen zu erforschen, wurden männliche Wildmeerschweinchen für zwei Monate bei einer um zehn Grad erhöhten Umgebungstemperatur gehalten. Anschließend wurde untersucht, ob es zu biochemischen Änderungen am Erbgut (DNS) der Leber kam.

Die von den Vatertieren vor und nach der Wärmebehandlung gezeugten Söhne wurden ebenfalls auf mögliche biochemische Veränderungen am Erbgut der Leber und zusätzlich an dem der Hoden untersucht.

Wie die Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW), des Berliner Zentrums für Genomik in der Biodiversitätsforschung (BeGenDiv) und der kalifornischen Firma Zymo Research zeigen konnten, traten nach der Haltung bei erhöhter Temperatur deutliche Unterschiede in der Methylierung der DNS auf. Diese Unterschiede betrafen insbesondere Gene, die die Information für Eiweißmoleküle zum Schutz vor Hitze tragen.

Das diesen Prozess beschreibende Zauberwort heißt „Epigenetik“ (griech. epi = (dar)auf, darüber; Genetik: Lehre von der Vererbung) – ein molekularer Mechanismus, der durch Modifizierung des Erbgutes das An- und Abschalten von Genen als Reaktion auf sich verändernde Umweltfaktoren reguliert, ohne dabei die Reihenfolge der Bausteine des Erbgutes (also die im Erbgut enthaltene Information) zu verändern.

„Wir glauben, dass die väterliche Weitergabe epigenetischer Informationen dessen Söhne auf den Umgang mit veränderten Temperaturen vorbereitet.

Diese im Verlauf der Evolution entstandene Fähigkeit könnte angesichts des Klimawandels an Bedeutung zunehmen. Epigenetische Mechanismen könnten daher entscheidend für die Fitness und das Überleben der Nachkommen sein“, sagt Alexandra Weyrich, Wissenschaftlerin am IZW.

Aufgrund des bei Säugetieren sehr intensiven Mutter-Kind-Verhältnisses während und nach der Schwangerschaft lag der bisherige Fokus der Forschung auf der Weitergabe mütterlicher epigenetischer Informationen.

„Bei den meisten wild lebenden Säugetierarten, wie auch bei den hier untersuchten Wildmeerschweinchen, sind die Männchen jedoch diejenigen, die ihren angestammten Lebensraum verlassen und sich auf der Suche nach Weibchen und neuen Revieren schnell an sich ändernde Umweltbedingungen wie erhöhte Temperaturen anpassen müssen“, erklärt Weyrich.

Die schnelle Anpassung an veränderte Umweltbedingungen ist unter anderem durch epigenetische Modifizierung, wie z. B. der hier untersuchten Methylierung und Demethylierung der DNS möglich. Im Gegensatz zum eigentlichen „genetischen Code“ (der Reihenfolge der Bausteine des Erbgutes), sind „epigenetische“ Modifikationen flexibel und können somit in Reaktion auf veränderte Umweltbedingungen als „Schalter“ genutzt werden.

Die neuen Erkenntnisse zeigen, dass diese erworbenen epigenetischen Modifikationen so stabil sein können, dass einige von ihnen sogar an die Nachkommen weitergegeben werden. In der aktuellen Studie konnte bei Wildmeerschweinchen nachgewiesen werden, dass Väter epigenetische Veränderungen der eigenen DNS an Söhne weitergeben.

Publikation

Weyrich A, Lenz D, Jeschek M, Chung TH, Rübensam K, Göritz K, Jewgenow K, Fickel J (2015): Paternal intergenerational epigenetic response to heat exposure in male Wild guinea pigs. MOL ECOL – special issue Epigenetic Studies in Ecology and Evolution. DOI: 10.1111/mec.13494



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