Bundesamt für Naturschutz legt ersten Artenschutz-Report vor

(20.05.2015) Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) stellte am 20. Mai 2015 zum ersten Mal einen umfassenden Artenschutz-Report vor. Hierin nimmt das BfN eine Analyse der in Deutschland lebenden Tier-, Pflanzen- und Pilzarten vor.

Der Report gibt einen Überblick, wie viele Arten in Deutschland leben, wie hoch der Anteil der gefährdeten Arten ist und wie sich die Artenvielfalt in den letzten Jahren entwickelt hat. Er macht aber auch deutlich, wo im Artenschutz Erfolge zu verzeichnen sind und worauf diese sich zurückführen lassen.

Damit liefert der BfN-Artenschutzreport eine wichtige Analyse, um gefährdete Arten identifizieren und schützen zu können. Das BfN legt den Fokus auf acht Bereiche, in denen ein dringender Handlungsbedarf festzustellen ist und schlägt zentrale Maßnahmen zum Artenschutz vor.

„Der Zustand der Artenvielfalt in Deutschland ist alarmierend, denn ein Drittel der auf Roten Listen erfassten Arten ist im Bestand gefährdet und weitere Arten sind sogar schon ausgestorben.

Damit wird bislang auch das nationale Ziel verfehlt, den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten,“ fasste BfN-Präsidentin Prof. Beate Jessel den Artenschutz-Report zusammen. „Wir müssen dringend unsere Anstrengungen verstärken, um den Artenrückgang zu stoppen“, so Jessel.

Deutschland beherbergt rund 48.000 Tierarten, 9.500 Pflanzen- und 14.400 Pilzarten. In der Roten Liste Deutschlands wurden mehr als 32.000 heimische Tiere, Pflanzen und Pilze hinsichtlich ihrer Gefährdung untersucht. Dabei zeigt sich ein ernüchterndes Bild: Rund 31% wurden als bestands-gefährdet eingestuft, 4% sind bereits ausgestorben.

Von den aktuell untersuchten 11.000 Tierarten sind 30% bestandsgefährdet und 5% ausgestorben. Fast 28% der Wirbeltierarten, die Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere umfassen, sind aktuell bestandsgefährdet.

Bei den wirbellosen Tieren, zu denen beispielsweise die Insekten gehören, gelten sogar 45,8% der bislang 6.057 untersuchten Arten und Unterarten als bestandsge-fährdet, extrem selten oder bereits ausgestorben. Außer bei den Säugetieren sind bei diesen Zahlen die marinen Organismen nicht berücksichtigt.

Die aktuelle Situation der Brutvogelarten hat sich in den letzten Jahren spürbar verschlechtert: Über die letzten zwölf Jahre nahmen 34% der Brutvogelarten in ihrem Bestand mehr oder weniger stark ab. Über 23% der Zugvogelarten sind bestandsgefährdet und stehen auf der Roten Liste der wandernden Vogelarten.

An vorderster Stelle der Ursachen für die Gefährdung der Arten stehen intensive Formen der Landbewirtschaftung. Weitere wesentliche Gefährdungen liegen in der Forstwirtschaft, Wasserbau und Gewässerunterhaltung, Baumaßnahmen sowie Sport- und Freizeitaktivitäten.

Unter den 25 wichtigsten Gefährdungsursachen dominieren damit Maßnahmen, die mit einer Intensivierung der Nutzung von Natur und Landschaft und damit einhergehenden Veränderungen bzw. der Zerstörung der Lebensräume verbunden sind. Aktuell spielt der Klimawandel noch keine große Rolle als Gefährdungsursache.

Das BfN geht jedoch davon aus, dass dieser Einfluss bei fortlaufender Klimaänderung zunehmen wird. Ursächlich für die Gefährdung der marinen Organismen sind vor allem die Fischerei, Lebensraumveränderungen, Schadstoffeinträge und Aquakulturen.

Um den Artenrückgang zu stoppen, sind weiterhin große Anstrengungen im Artenschutz erforder-lich. Das BfN fordert gezielte Einzelmaßnahmen für besonders gefährdete Arten und solche Arten, für deren Erhaltung Deutschland eine besondere Verantwortung hat.

Dringend notwendige artübergreifende Schutzmaßnahmen umfassen nach Einschätzung des BfN die Erhöhung der Lebensraum- und Strukturvielfalt in der Landschaft, wie beispielsweise den Erhalt von Grünland, die Einrichtung ungenutzter Pufferstreifen um Landschaftselemente und Äcker, naturnahen Waldbau, Wiedergewinnung von Auenflächen durch Deichrückverlegungen, Wiedervernässung von Mooren und eine ökosystemverträgliche, nachhaltige Fischerei.

Zudem ist das Vorhandensein nutzungsfreier Wälder unverzichtbar, um das gesamte Spektrum der Artenvielfalt zu erhalten. Denn zahlreiche Flechten, Moose und Pilze oder Totholz bewohnende Käfer sind für ihren Fortbestand auf solche Waldformen angewiesen.

Ungeachtet der auch weiterhin notwendigen Anstrengungen gibt es aber auch sichtbare Erfolge beim Schutz einzelner Arten. Sie sind vor allem dort festzustellen, wo gezielte Artenschutzmaß-nahmen zum Einsatz kamen (etwa bei Vogelarten wie dem Schwarzstorch oder dem Seeadler), wo Schutzgebiete wichtige Rückzugsräume bildeten und zudem gut gemanagt wurden (z.B. beim Schutz der Flussperlmuschel) oder wo durch vertragliche und hinreichend finanziell ausgestattete Maßnahmen Naturschutzkonzepte in der Agrarlandschaft umgesetzt wurden (etwa bei Wiesenbrüterprogrammen oder Ackerrandstreifenprojekten, die Vogelarten wie der Uferschnepfe oder dem Braunkehlchen und Wildkräutern wie der Kornblume zugutekamen).

Dies belegt, dass sich gezielte und langfristige Naturschutzmaßnahmen auszahlen. Insbesondere bei einigen Tierarten wie Biber, Wildkatze und Wolf konnten strenge gesetzliche Schutzbestimmungen, Maßnahmen zur Verbesserung bzw. Neuschaffung ihrer Lebensstätten oder Wiederansiedlungsprojekte deutliche Erfolge erzielen.

So wird der aktuelle Bestand an Wildkatzen in Deutschland derzeit wieder auf 5.000 bis 7.000 Tiere geschätzt. Das BfN sieht hierin eine Bestätigung bisheriger Schutzbemühungen, die auch weitere Maßnahmen sinnvoll erscheinen lassen, zumal von solchen Schlüsselarten zahlreiche weitere Tier- und Pflanzenarten profitieren.

Der vorgelegte Artenschutzreport gibt wichtigen Aufschluss über die Gründe, die im Artenschutz zu Gefährdungen und zu Erfolgen führen. Er stellt damit eine wichtige Grundlage für den Schutz der Arten dar.

Eine genaue Erfassung und Entwicklungsanalyse mit verlässlichen und umfassenden Daten ist unverzichtbar, um gefährdete Arten zu identifizieren, zu schützen und damit dem Verlust der Artenvielfalt in Deutschland entgegenzutreten.



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